Lebensdaten:
Der Benediktinerpater und Abt Graf Adalbert von Neipperg war die wohl auffälligste und sonderbarste Gestalt inmitten der Elendszüge deutscher Kriegsgefangener in Jugoslawien. Diese Gefangenen wurden unter Mißachtung der Genfer Konventionen in „Sühnemärschen“ auf grausamste Weise durch Titos Reich getrieben. Sie kamen zu Tausenden dabei um oder wurden ermordet.
Der Zivilist und Abt Graf von Neipperg war mitten unter ihnen – eine hochgewachsene Gestalt mit weißem Haar und in schlichter schwarzer Kutte. Er war für unzählige der in tiefstem Elend befindlichen Gefangenen Trost und Lichtgestalt, menschlich und geistig hervorragend im Wesen, ein geistlicher Beistand und leuchtendes Exempel christlicher Nächstenliebe. Abt Graf von Neipperg praktizierte Humanität unter schlimmsten Umständen.
Was hatte den Pater in diese Elendszüge gebracht, warum wurde er letztendlich ermordet?
Graf von Neipperg war von 1929 bis 1934 Abt auf dem Stift Neuburg, einem Benediktinerkloster im Badischen, später dann Mönch und Jugendseelsorger in Seckau in der Steiermark – nach dem Anschluß Österreichs schließlich in Windisch Feistritz, einem südsteirischen Landesteil, der heute zu Slowenien gehört.
Der Pater suchte in diesem Gebiet nach Möglichkeiten, die Kinder der deutschen Minderheit zu unterrichten, geriet dabei jedoch in Konflikt mit den oft unfreundlich bis feindseligen agierenden Besatzungsbehörden und Parteikadern.
Als der Bombenkrieg gegen deutsche Städte begann, ließ sich der Abt – von immenser innerer Kraft beseelt – zusätzlich noch als Sanitäter ausbilden und engagierte sich für die Bombenopfer in den Industriestandorten seines Seelsorgebereiches.
Mit der deutschen Kapitulation geriet auch er in die Flüchtlingstrecks und damit verbundenen Wirren.
Ein bulgarischer Oberst riet ihm bei seiner Gefangennahme eindringlich zu fliehen. Auf seine Frage: „Und was wird mit den Soldaten, den Verwundeten und Kranken?“ lautete die Antwort des Oberst: „Die werden nach Bosnien gejagt, zu Fuß“. Daraufhin lehnte der Abt ab.
Graf Neippergs abschließende Antwort zeigte seine enorme innere Kraft: „ Dann bleibe ich bei ihnen, denn sie haben keinen Arzt und keinen Priester mehr“.
Diese schwerwiegende Entscheidung brachte ihm die bizarre Klassifizierung eines kriegsgefangenen „Offiziers“ ein und, damit verbunden, seine spätere Ermordung im Lager Werschetz.
Der Abt wurde durch die unmenschliche Behandlung auf den Märschen und in den Lagern genau so wie viele der von ihm Betreuten schwer krank.
Bundeskanzler Adenauer im Bundestag am 27.01.1950:(1)
„Besonders erschütternd sind die neuesten Nachrichten über das Schicksal der Kriegsgefangenen, die in Jugoslawien unter dem Vorwand von Untersuchungen über Kriegsverbrechen zurückgehalten worden sind…hier handelt es sich um solche Vergehen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, daß die gesamte Öffentlichkeit auf der ganzen Welt sich dagegen empören muß“
Seine durch die Lazarettleitung angestrebte Repatriierung Ende 1946 lehnte Graf von Neipperg entschieden ab, getragen von seinem Verantwortungsgefühl für die gequälten Leidensgenossen.
Abermals kam er in das Lager Werschetz, nunmehr von den Partisanenwächtern und Schulungsfunktionären der ANTIFA zusätzlich als „Klerikalfaschist“ und „Spion“ injuriert. Seine Vorlesungen und Aussprachekreise im Lager wurden verboten.
Besonders traurig ist der Umstand, daß im Lager Werschetz (und anderswo wohl auch) sich manche der deutschen Mitgefangenen zügig in den Dienst der neuen Herren stellten und sich als besonders üble Folterknechte an den eigenen Leuten hervortaten. Solches Verhalten war möglich, wahlweise aber auch das lichtvolle Wirken des Abt Graf von Neipperg. Dazwischen lagen abertausende verzweifelte und kraftlos gewordene Gefangene.
Die jugoslawische Bevölkerung erlebte den großen Mönch in seiner schwarzen Kutte mit Ehrfurcht bei der Zwangsarbeit in den Straßen der Stadt. Kinder der Stadt eilten zu ihm und küßten seine gezeichneten Hände, Alte luden ihn in ihre Häuser ein. Dort erbetene Milch in schweren Kannen und Heilkräuter schleppte er für die Kranken mit ins Lager, er bat bei den Bauern um Fett für die Mitgefangenen.
Von ihm ging eine Ruhe aus, die alle verzweifelten Fragen und Gedanken der ihn Umgebenden still werden ließ. Er hatte die bezwingende Macht derer, die in Gott sind.
Victima caritatis
Der Haß seiner Bewacher mischte sich zunehmend mit Angst vor dem Renommee des Gefangenen.
Am 23. Dezember 1948 wird der Abt zum jugoslawischen Stab bestellt.
Graf Neipperg ahnt das Kommende und vertraut sich seinen Mitgefangenen kryptisch an.
Schon kurz darauf wurde unter einem Maisschrothaufen von einem Schweinehirten die Leiche eines unbekleideten Toten entdeckt. Es war Abt Graf von Neipperg.
Man hatte dem Mönch die Kehle durchgeschnitten und die Nägel der großen Zehen abgerissen. Sein Körper war mit Folterspuren übersät.
Jugoslawischen Einwohnern der Stadt gelang es, den Leichnam noch rechtzeitig zu sichern, ehe die Kommissare ihn verschwinden lassen konnten. Der Totengräber der Stadt, der ihn auch sehr verehrt hatte, beerdigte ihn heimlich in der eigenen Familiengruft und kennzeichnete die Stelle mit einem kleinen schwarzen Holzkreuz.
In diesem letzten Akt der Nächstenliebe erfüllte sich das jahrelange gute Wirken des Paters greifbar.
Abt Graf Neipperg starb wie viele seiner entsetzlich zu Tode gequälten Mitgefangenen und er starb im Geiste Christi für sie.
Erst im Jahre 1989 konnten seine Gebeine nach Neuburg überführt werden, wo er nun im Kloster bestattet liegt.
Quellen: „Die Gefangenen“ von Paul Carell & Günter Böddeker, Ullstein Verlag 1980
(1) ebenda, Seite 243
Bildquelle: https://www.magyarkurir.hu/img1.php?id=55637&v=1&p=1&img=c_szkeresztbucsu2.jpg