Brauch

Forstfest Kamenz

Ort: Kamenz/Sachsen

Zu diesem beeindruckenden, mehrtägigen Fest gibt es – wie dies bei jahrhundertelangen Überlieferungen oft der Fall ist – unterschiedliche Lesarten. Eine davon fasst die zugrunde liegende Legende etwa so zusammen:

Im 15. Jahrhundert war es, als sich ganz in weiß gekleidete Mädchen und Jungen auf einen Weg begaben, von dem es möglicherweise keine Wiederkehr gab. Mit Blumenkränzen geschmückt, schickten sie sich an, das grimmige Heer der Hussiten zu besänftigen. Letztere waren nicht eben für Feinsinn bekannt; was sie wollten, das nahmen sie sich. Und wenn man es ihnen nicht freiwillig gab, dann eben mit Gewalt. Menschenleben spielten dabei keine Rolle – so wie bei allen Heeren des Mittelalters. Der Rest der Geschichte ist Legende. Der Feldherr der böhmischen Aufständischen war von dem Anblick der barfüßigen weißen Engel so gerührt, dass er in Tränen ausbrach und seinen Mannen befahl, um Kamenz einen Bogen zu machen.

(Quelle: Lausitzer Rundschau online, Uwe Meschner)

In anderen Quellen findet man eine ähnliche Darstellung, die jedoch nicht belegt ist. Anlässe könnten demnach (lt. Wikipedia) auch die Ehrung des Apostels Bartholomäus oder das Sammeln von Birkenruten für die schulische Erziehung gewesen sein. An Hand des nachfolgenden Zitats liegt der Bezug zum Apostel Bartholomäus jedoch nahe.

Seit vielen Jahrzehnten begeht die Stadt Kamenz in der Woche um den Bartholomäustag (24. August) das größte Volksfest der Region. Das Forstfest mit 2 Festumzügen, einem Feuerwerk und vielen Fahrgeschäften auf der Festwiese hat seine Wurzeln vermutlich im 14. Jahrhundert und wird in seiner heutigen Form schon seit über 130 Jahren gefeiert.

(Quelle: Lausitzer Bilder)

Der Bezug zu Bartholomäus ist auch in Bezug auf die Verbindung des christlichen Glaubens mit den Erfahrungen des Jahresablaufes in jener Zeit als recht wahrscheinlich einzuordnen.

Der heilige Apostel ist Patron der Fischer (und Schäfer). …. Der 24. August markiert das Ende der Schon- und Laichzeit der Fische: Der heilige Bartholomäus bzw. natürlich sein Festtag eröffnet den Fischfang in den Binnengewässern. Gefeiert wurde dies früher mit Fischessen, Prozessionen und Fischzügen. Fischerkönig wurde der, der den erfolgreichsten Fang vorweisen konnte.

(Quelle: https://www.brauchtum.de/de/herbst/sankt-bartholomaeus.html)

Nachweislich für Kamenz (lt. Wikipedia) ist jedoch, daß es bereits im 14. Jhdt. jährlich Prozessionen der Schüler gab.

Die noch heute gültige Route des Festzuges vom Klosterhof über den Markt und die Bautzener Straße zum Forst wurde von 1570 genommen, nachdem die Rats-Lateinschule in die ehemaligen Klosterräume gezogen war. Der genauere Ablauf des Festes wurde vom Stadtschreiber in der Mitte des 18. Jhdt. dokumentiert.

1845 wurde das Erscheinungsbild der Kinder vom Schuldirektor Wilhelm Leuner durch verschiedenfarbige Schärpen, das Tragen von Fähnchen sowie Blumenschmuck in Form von Blütenkränzen und -körbchen geprägt. Seitdem wurde das Fest wesentlich aufgewertet, was nicht unwesentlich auf die künstlerische Inszenierung der Auf- und Abmarschordnung der einzelnen Gruppen zurückzuführen ist. Es wird optisch der Eindruck erweckt, der gesamte Festumzug stelle ein wogendes Blütenmeer dar. Auch der Festplatz und seine Attraktionen wuchsen seitdem.
Im Sozialismus fanden ebenfalls Umzüge statt, jedoch in der damals zwingenden Kleidung der angeordneten Massenorganisationen.

In diesem Jahr war ein weiterer Höhepunkt Bestandteil des Kamenzer Forstfestes. Es war die Zusammenkunft zahlreicher Schützenvereine im Zuge des 16.Treffens der Sächsischen Schützenvereine und des 25. Treffens der Schützenvereine des Sportschützenkreises 6 Westlausitz e.V. (gesonderter Beitrag). Auch dies ist ein beeindruckendes Beispiel von Pflege des kulturellen Erbes und dessen Führung in die Zukunft. Aus einer Meldung der Lausitzer Rundschau geht hervor, daß die Stadt Kamenz in Bezug auf  ihre bedeutsame Tradition ein großes Ziel hat.
Unter dem Titel „Volksfest mit Ambitionen, Kamenzer Forstfest soll Kulturerbe werden“ kommt der Referent des Bürgermeisters der Stadt zu Wort:

„ … Standen früher Baudenkmäler oder Kulturgutsammlungen im Vordergrund, so umfasst der Begriff heute auch die Traditionen und lebendigen kulturellen Ausdrucksformen, auch Feste“.

Der genannte Beitrag zitiert auch einen Teil der Definition der Weltkulturorganisation
UNESCO:

„Dieses immaterielle Kulturerbe, das eine Generation an die nächste weitergibt, wird fortwährend neu gestaltet und vermittelt ein Gefühl von Identität und Kontinuität“.

Neben der Werbung für die Stadt hätte der Titel für die Kamenzer Politik auch die folgende Bedeutsamkeit:

„… Zugleich wäre der Titel auch Verpflichtung sowohl für die Verantwortungsträger der Stadt als auch für die Bürgerschaft, dieses Erbe zu pflegen und zu bewahren.“

Es gibt sehr viele und schöne Traditionen und Bräuche in unsere Heimat. Spüren wir sie auf, pflegen und bewahren wir sie und erfüllen sie mit neuem Leben.